Quelle: Deutscher Juristinnenbund: Pressemitteilung 20-40 Berlin, 26.8.2020
https://www.djb.de/verein/Kom-u-AS/K4/pm20-40/
"Berechnung anhand der Steuerklasse IV!
djb fordert bei der Verlängerung des Kurzarbeitergelds Diskriminierungen zulasten von Frauen zu
beseitigen
Der Koalitionsausschuss hat sich auf eine Verlängerung des Kurzarbeitergelds bis Ende 2021
verständigt. Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) begrüßt dieses Vorhaben und fordert die Beseitigung der eklatanten Nachteile, die
Frauen in Lohnsteuerklasse V beim Kurzarbeitergeld und einer Reihe weiterer Lohnersatzleistungen hinnehmen müssen. »Es ist nicht nachvollziehbar, dass die Diskriminierung von Frauen
beim Bezug von Lohnersatzleistungen weiterhin ignoriert wird. Kurzfristige Abhilfe würde bei der Verlängerung des Kurzarbeitergeldes die generelle Berechnung anhand der Lohnsteuerklasse IV bewirken. Gerade in der Krise
ist der Zeitpunkt gekommen, bestehende strukturelle Benachteiligungen zu beenden.«, fordert die Präsidentin des djb, Prof. Dr. Maria
Wersig.
Nach Daten des Statistischen Bundesamtes lag der Anteil von Frauen beim Bezug von Leistungen
wie dem Kurzarbeitergeld in Steuerklasse V bei 97 Prozent, der Anteil von Männern in Steuerklasse III bei 75 Prozent.[1] Demzufolge
erhalten verheiratete Frauen bei gleichem Bruttoeinkommen ein erheblich niedrigeres Kurzarbeitergeld als verheiratete Männer, deren Lohnersatzleistungen sehr viel häufiger nach Steuerklasse
III berechnet werden.
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Berechnungsbeispiele
Die Unterschiede belaufen sich bereits bei einer Ersatzrate von 60 Prozent, Kurzarbeit Null
und einem Bruttoeinkommen von 1.700 Euro auf mehr als 200 Euro.
Bei einem Bruttoeinkommen von 3.300 Euro erhöht sich die Differenz zwischen Steuerklasse V und
Steuerklasse III auf 400 Euro.
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Diese finanzielle Schlechterstellung von Frauen beim Bezug von Lohnersatzleistungen ist
mittelbar diskriminierend und verstößt gegen Art. 3 Abs. 2 GG. Die erheblichen finanziellen Nachteile bei der Berechnung von
Lohnersatzleistungen, die nicht nur Frauen, sondern auch nichteheliche Familien schlechter
stellen, wurden erst kürzlich in einer Studie der Universität Speyer berechnet.[2] (Längerfristige) Abhilfe schafft die Streichung der
Steuerklasse V und die Berechnung aller Lohnersatzleistungen nach Steuerklasse I bzw. IV.
Kurzfristig bietet die Verlängerung des Kurzarbeitergelds die Chance, jetzt die Nachteile verheirateter Frauen auszugleichen, indem
das Kurzarbeitergeld anhand der Steuerklasse IV berechnet wird.
Auch die Konferenz der Frauen- und Gleichstellungsminister*innen von Bund und Ländern hat die
Bundesregierung erst im Juni 2020 aufgefordert, die Bemessung des Kurzarbeitergeldes geschlechtergerecht auszugestalten, z.B. indem bei
der Berechnung der Anspruchshöhe auf einen fiktiven, anhand Steuerklasse IV zu errechnenden Nettolohn abgestellt wird.[3]
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[1] Zahlen für 2015, Statistisches Bundesamt, Sonderauswertung
[2] Spangenberg/Färber/ Späth (2020), Mittelbare Diskriminierung im
Lohnsteuerverfahren, Working Paper der Hans-Böckler-Stiftung,
https://www.boeckler.de/pdf/p_fofoe_WP_190_2020.pdf
[3] Beschlüsse und Entschließungen der Sonderkonferenz (Videokonferenz) der
Gleichstellungs-und Frauenministerinnen und -minister, -senatorinnen und
-senatoren der Länder vom 25.06.2020,
https://www.gleichstellungsministerkonferenz.de/documents/20-07-01-schlussprotokoll-der-sonder-gfmk-25_juni-2020_2_3_1595231802.pdf"